Die Milchsäure

2-Hydroxypropansäure (acidum lacticum)
wurde 1780 von Scheele in saurer Milch entdeckt, die Fleischmilchsäure wurde 1808 von Jakob Berzelius gefunden und 1873 wurde von Johannes Wislicenus schließlich ihre chemische Struktur geklärt.

Milchsäure ist jedoch nicht gleich Milchsäure.
Man weiß heute, dass es davon drei unterschiedliche Formen gibt: erstens die biologisch wertvolle optisch rechtsdrehende Milchsäure (RMS, auch L(+) genannt), zweitens die biologisch eher schädliche optisch linksdrehende Milchsäure (LMS, auch D(-) genannt) und drittens die aus beiden gemischte, optisch indifferente sog. racemische Milchsäure, die in der Natur am häufigsten vorkommt und neutrale biologische Eigenschaften hat.

Struktur und Eigenschaften

Optisch rechts- bzw. linksdrehend weist auf ein unterschiedliches Verhalten von linear polarisiertem Licht beim Durchtreten durch optisch aktive Stoffe hin (z.B. durch chemische Lösungen). Dabei wird die transversale Schwingungsebene des Lichts im Uhrzeigersinn nach rechts oder nach links abgelenkt.

Rechts- bzw. linksdrehende Milchsäure hat jeweils die gleiche chemische Summenformel (CH3-CHOH-COOH), allerdings unterschiedliche, nämlich spiegelbildliche Anordnung der OH-Gruppe. Man spricht von sog. Enantiomeren. In der Natur, z.B. bei Pflanzen, entsteht in Anwesenheit von Sauerstoff bei der Vergärung vorwiegend die rechtsdrehende Form (z.B. Sauerkraut, Most), die sich aber nach kurzer Zeit meist mit der ubiquitär vorhandenen linksdrehenden Milchsäure zu racemischer Form vermischt.

Im menschlichen (auch tierischen) Organismus entsteht die rechtsdrehende Milchsäure vorwiegend bei der Muskelarbeit und spielt im gesamten Stoffwechsel eine wesentliche Rolle. RMS dient z.B. dem Herzmuskel als wichtige Energiequelle, auch Leber, Nieren und das Gehirn veratmen RMS und der normale pHWert (Maßzahl für die sauere oder basische Eigenschaft von Lösungen) der Haut wird durch sie aufrechterhalten.

 

Wirkungen und Funktionen

Ein Überschuss an RMS kann durch ein spezifisches Enzym abgebaut werden, im Gegensatz zur linksdrehenden Milchsäure, die zu einem Lactat (Salz der Milchsäure) abgepuffert werden muss und daher schwer abbaubar ist.

Die RMS in statu nascendi regt außerdem das chromaffine System zur Bildung von neuem Adrenalin an, nachdem der Level des Hormons (= körpereigener Wirkstoff mit organsteuernder Funktion) abgefallen ist, sorgt somit für ständige Neubildung der Zellen in diesem System und hat einen großen Einfluss auf den Zuckerstoffwechsel, indem sie als eine Art Messenger fungiert, um das neu gebildete Adrenalin zu veranlassen, Zucker aus der Leber zu mobilisieren, wenn der Muskel Bedarf daran hat.

Weitere Wirkungen der RMS sind:

  1. Der günstige Einfluss auf die Darmflora.
    Es ist allgemein bekannt, dass RMS, Lactose und Lactobazillen die Darmflora günstig beeinflussen, indem sie es pathogenen Bakterien unmöglich machen zu überleben.
  2. Die protektive Wirkung bei der Ausbildung eines suffizienten chromaffinen Systems bei Neugeborenen.
    Neugeborene kommen mit einem angelegten, aber noch nicht funktionstüchtigen chromaffinen System auf die Welt, an dessen Stelle in den ersten 6 bis 8 Monaten die Thymusdrüse als immunologisches Organ zur Verfügung steht. Das chromaffine System entwickelt sich erst durch den Einfluss von rechtsdrehender Milchsäure. Zwar wird diese auch beim Säugling durch Bewegung produziert, viel wirksamer aber als diese Muskel-RMS ist eine spezielle Form der Milchsäure, nämlich die Milchsäure in statu nascendi. Und diese gibt es nur, wenn der Säugling mit Muttermilch ernährt wird. Denn nur mittels der rohen Muttermilch entsteht im Darm der Kinder diese wertvolle Form. Werden neugeborene Kinder mit normaler, aber eben immer hitzebehandelter Babymilch gefüttert, kann die normale Entwicklung des chromaffinen Systems ausbleiben.
  3. Die biologische „Neutralisierung“ der linksdrehenden Milchsäure bei malignen Tumoren.
    RMS ist ein wichtiger Faktor bei der Behandlung maligner Tumore: Tumorzellen produzieren große Mengen optisch linksdrehender Milchsäure, die einen Schutzwall um den Tumor bildet, den selbst intensivste Chemotherapien kaum durchbrechen können. Gleichzeitig kommt es zur Steigerung der Zellteilungsrate (Mitoserate) und somit zu einem beschleunigten Wachstum des Tumors. Wie weiter oben schon beschrieben gibt es im Unterschied zur RMS kein Enzym, das die LMS abbauen kann und so muss diese abgepuffert werden, wobei das sehr schwer abbaubare Lactat entsteht. RMS hingegen verbindet sich mit der LMS zu einem Razemat und diese razemische Milchsäure ist biologisch nicht aktiv und wird einfach ausgeschieden. Seeger hat außerdem nachgewiesen, dass durch RMS die Zellatmung auf bis zu 350% gesteigert werden kann, wodurch es zur Aktivierung der in malignen Zellen schwer gestörten Mitochondrien kommt.
  4. Die Regulierung der pH-Werte in Blut und Gewebe.
    Im gesunden Organismus wirkt die bei der Muskelarbeit gebildete RMS regulierend auf das Verhältnis Blut-pH-Wert zu Gewebe-pH-Wert. Der Organismus ist in Bezug auf die Regulierung der Säure-Basen-Verhältnisse vergleichbar einem abgeschlossenen Gefäß, in dem durch eine semipermeable Membran zwei Flüssigkeiten getrennt werden, von denen die eine sauer und die andere basisch reagiert. Nur wenn ein Unterschied in den pH-Werten der beiden Flüssigkeiten besteht, ist ein Austausch der Inhaltsstoffe möglich. Der Blut-pH und der Gewebe-pH müssen also differieren, um überhaupt einen Stoff-Wechsel zuzulassen. Tägliche Bewegung sorgt normalerweise dafür, dass die dabei gebildete RMS den pHWert des Blutes niedriger hält als den des Gewebes, wie es einem normalen Säure-Basen-Verhältnis bei Gesunden entspricht (Blut-pH < Gewebe-pH).


 

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